26/01/2025 0 Kommentare
"Sej a Mensch!"
"Sej a Mensch!"
# Andacht
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"Sej a Mensch!"
„Sej a Mensch!“ Diesen kleinen Satz hat Marcel Reif vor einem Jahr im Deutschen Bundestag gesagt, in der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus. „Sei ein Mensch!“
Sein Vater Leon Reif, der den Holocaust überlebte, hat ihm diesen Satz ans Herz gelegt. Als Aufforderung, als Ermahnung oder als Zurechtweisung. Am Ende seiner Rede sagte Reif: Und wenn Sie es mir erlauben und wenn Sie mögen […], dann lass ich Ihnen den kleinen und doch so großartigen, wundervollen Satz, den mein Vater, Leon Reif, gesagt hat, dann lass ich Ihnen diesen Satz hier: „Sej a Mensch!“ - „Sei ein Mensch!“
Ja, denke ich, lassen Sie uns den Satz da! Diesen kleinen, einfachen Satz, der wunderbar auf den Punkt bringt, was uns gerade guttäte: Mensch sein! Denn das vermisse ich so oft: in alltäglichen Begegnungen, in denen der Ton schnell aggressiv wird. In den Wahlkampfparolen und -auftritten, die markig eine Re-mi-gra-tion fordern – was für ein euphemistisches Wort für Ausgrenzung und Missachtung von Menschenrechten und Menschenwürde!
Am 27. Januar jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 80. Mal. An diesem Tag gedenken wir aller Opfer des Nationalsozialismus. Lange her? In Jahren stimmt das. Aber das mahnende Wort: „So hat es damals angefangen. Genau so“, das müssen wir heute hören. Wach und mit dem Mut, Hass und Ausgrenzung und viel zu einfachen Lösungen entgegenzutreten. Mit Worten und mit dem Willen, Mensch zu sein.
Anderen ein Mensch sein, darum geht es. Nicht immerzu die eigenen Interessen, das eigene Land an die erste Stelle zu setzen, sondern aufmerksam zu sein für unsere Gemeinschaft und für das Recht, unterschiedliche Meinungen in vernünftigem Ton miteinander auszutauschen. Denen ein Mensch sein, die Unterstützung oder Trost brauchen, und für die Teilhabe eintreten. Auch bei den Wahlen in vier Wochen nach dem fragen, was vielen Menschen in unserem Land dient. Und überhaupt: wählen gehen.
„Sej a Mensch!“ - „Sei ein Mensch!“ Mit etwas anderen Worten habe ich das dieser Tage in der Predigt der Bischöfin von Washington gehört, die mit großem Ernst und in sanftem Ton den Präsidenten der Vereinigten Staaten aufforderte: "Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, dass Sie sich der Menschen in unserem Land erbarmen, die jetzt Angst haben."
Seien Sie ein Mensch! Dieser Satz braucht Mut. Sanft-Mut.
Zuerst erschienen in der Neuen Westfälischen, 25. Januar 2025
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