Zeit für den Mitmenschen - ein gutes Angebot: Ein Vertriebsprofi entdeckt das Ehrenamt im Besuchsdienst

Zeit für den Mitmenschen - ein gutes Angebot: Ein Vertriebsprofi entdeckt das Ehrenamt im Besuchsdienst

Zeit für den Mitmenschen - ein gutes Angebot: Ein Vertriebsprofi entdeckt das Ehrenamt im Besuchsdienst

# Rückblick 2024

Zeit für den Mitmenschen - ein gutes Angebot: Ein Vertriebsprofi entdeckt das Ehrenamt im Besuchsdienst

Rumsitzen und Nichtstun liegen ihm nicht: Denis H. aus Bad Oeynhausen braucht eine Aufgabe im Leben. Auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung in der Übergangszeit zwischen zwei Jobs wurde er auf den Besuchsdienst im Krankenhaus der Kurstadt aufmerksam. Spontan entschied der Vertriebler, sich für die ehrenamtliche Aufgabe zu bewerben.

Zum Gespräch hat sich die Freitagvormittags-Gruppe im gemütlichen Gruppenraum des Besuchsdienstes im zweiten Stock des Krankenhauses eingefunden. Etwas eingeklemmt, aber entspannt und gut gelaunt sitzt Denis H. zwischen zwei seiner neuen ehrenamtlichen Kolleginnen auf dem kleinen Sofa. Der passionierte Wandersportler überragt sie um eine Kopfeslänge, und auch sonst unterscheidet er sich von seinen Teamkolleginnen. Denn Denis H. ist einer von wenigen männlichen Mitarbeitern im Besuchsdienst. Wie viele ehrenamtliche Tätigkeiten im sozialen Bereich ist auch hier das Geschlechterverhältnis stark in die weibliche Richtung gekippt. Als Hahn im Korb nimmt Denis H. sich aber nicht wahr, und immer mehr Männer entdecken wie er den Besuchsdienst für sich. „Heutzutage darf ja jeder eine der Damen sein,“ lacht der frischgebackene Besuchsdienstler.

Ein Vertriebler als eine der Damen

Seine Anspielung gilt den „grünen Damen“: So heißen seit 1969 die als Verein organisierten Besuchsdienste in anderen deutschen Krankenhäusern. In den Kliniken Bad Oeynhausens arbeiten die Ehrenamtlichen dagegen als Teil der Besuchsdienste des Ev. Kirchenkreises Vlotho und werden regelmäßig fachlich und seelsorglich vom Team der Kur- und Krankenhausseelsorge begleitet. Zusammen mit Karin Tasche von der Fachstelle „Seelsorge im Alter“ bieten diese die Schulung für die Besuchsdienste an. Dort werden die Teilnehmenden in fünf Modulen zu “Wie komme ich ins Gespräch?”, “Wie gehe ich mit Angst, Sterben und Tod um?”, „Wie sorge ich gut für mich selbst?” und “Wo finde ich Halt und Sinn im Leben?” geschult und intensiv auf ihre manchmal herausfordernde Arbeit vorbereitet werden.

Sein spontaner Entscheid für die Mitarbeit im Besuchsdienst bedeutet, dass Denis H. die Schulung noch nicht besuchen konnte. Doch der gestandene Vertriebler entdeckte überraschende Anknüpfungspunkte zu seinem beruflichen Hintergrund: „Im Vertrieb habe ich gelernt, dass man die Leute kommen lassen muss.“ Es geht um den empathischen Sinn dafür, wann Menschen den Kontakt suchen. Ein leises Anklopfen an der Zimmertür, die kurze Frage, ob etwas gebraucht würde: Das ist das Gesprächsangebot der Besuchsdienstler, aus denen manchmal tiefgreifende Begegnungen werden. 

Klinikmitarbeitende im Ehrenamt

Beim Gang über die Station merkt man, wie sehr die Ehrenamtlichen zum Klinikalltag dazugehören. Nicht nur werfen die vier Besuchsdienstler allen ein fröhliches „Guten Morgen“ entgegen. Immer wieder kommt es auch zu kurzen Gesprächen mit Ärztinnen oder Pflegekräften, die sie manchmal schon seit Jahren kennen. Die Grenze zum Pflegepersonal ist dabei klar gezogen: Die Besuchsdienstler übernehmen ausdrücklich keinerlei pflegerische Tätigkeit. „Aber wir können ein Sprachrohr für die Patientinnen und Patienten sein“, erklärt Magdalena K., die seit vielen Jahren im Krankenhaus Bad Oeynhausen dabei ist. Manche Patienten möchten das Pflegepersonal nicht mit vermeintlich unwichtigen Bitten belasten, und da sind die ehrenamtlichen Besuchsdienstler eine willkommene Hilfe. Der Respekt der anderen Angestellten zeigt sich nicht nur in den freundlichen

Begrüßungen auf den Stationen. Auch die Klinikleitung hat eine ganz klare Haltung: Als „Mitarbeitende im Ehrenamt“ gelten die Besuchsdienstler in ihrem Haus.

Verschiedene Gesundheitsreformen, die wesentlich reduzierte Aufenthaltsdauer in Krankenhäusern und zuletzt die Corona-Jahre haben ihre Spuren in der Tätigkeit der Besuchsdienstler gelassen. So wird der Bücherwagen in Zeiten von Smartphones und e-Readern nur noch auf besonderen Wunsch mitgenommen. Was geblieben ist, ist der Bedarf nach Kontakt und Mitmenschlichkeit. Zuhören, da sein, kleine Besorgungen erledigen: So verbringen die Besuchsdienstler ihre Schichten auf den Stationen.

Gelebtes Christsein 

Als Teil der kreiskirchlichen Besuchsdienste spielt die christliche Botschaft dabei eine wichtige Rolle, auch wenn ein kirchlicher Hintergrund nicht für die Mitarbeit vorausgesetzt wird. „Andacht im Gespräch“: So nennt Pfarrerin Antje Freitag, die zurzeit ihre Kollegin Elisabeth Arning im Krankenhaus Bad Oeynhausen vertritt, die unaufdringliche, aber bewusste Art, die Glaubensbotschaft in die Gruppengespräche der Ehrenamtlichen und Interaktionen mit Patientinnen und Patienten zu bringen.

Für Denis H. geht es bald zurück in die freie Wirtschaft, in eine neue Aufgabe in Minden. Er ist sich aber sicher, dass er den Dienst weiterführen möchte, auch wenn er im neuen Job voll eingespannt sein wird. „Ein paar Stunden in der Woche, die findet man doch“, sagt er zuversichtlich, auch wenn schon jetzt ein wenig Wehmut darüber mitschwingt, dass er nicht mehr Teil der Freitagsvormittagsgruppe sein kann. Vielleicht werden andere berufstätige Ehrenamtliche dazustoßen und eine neue Nachmittagsgruppe bilden, schlägt Pfarrerin Antje Freitag vor, und die nächste Besuchsdienstschulung ist bereits für September geplant. Denis H. ist jedenfalls bereit, sich auch nach der Arbeit Zeit für die Patientinnen und Patienten im Krankenhaus zu nehmen. Was ihn und seine Kolleginnen und Kollegen antreibt, ist ein einfacher Gedanke: „Das könnten ja meine Eltern sein, oder jeder von uns, irgendwann.“

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