Die Suppe auslöffeln

Die Suppe auslöffeln

Die Suppe auslöffeln

# Andacht

Die Suppe auslöffeln

…ist bei uns eher negativ behaftet. In der Schweiz ist das anders. Dort denkt man an die Kappeler Milchsuppe: 1529 marschierten Zürcher Truppen gegen die Innerschweizer Kantone. Um einen Waffengang zu vermeiden, verhandelten die Heerführer. Währenddessen warteten die Soldaten beider Seiten in Kappel am Albis. Ihre Lager waren nah beieinander, und auf einmal geschah das Unvorstellbare: Die einen hatten Milch, die anderen Brot, und gemeinsam kochte man Milchsuppe. Die feindlichen Truppen saßen um den Topf und tunkten Brot. 

Warum erzähle ich diese Geschichte aus der Schweiz? Weil sie zeigt, wie aus Feinden gemeinsame Esser werden können. Während die Heerführer diskutierten, hat das „Fußvolk“ gehandelt und mit der Suppe Krieg verhindert. Vermutlich waren auch Hunger und Langeweile im Spiel, aber dennoch scheint mir diese Geschichte ein Bibelwort aus dem Epheser-Brief zu illustrieren. 

Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens! (Eph. 4,2-3)

Genau das haben die Soldaten hier gemacht. Geduldig mussten sie sein, weil die Oberen ziemlich lange brauchten. Demütig waren sie und haben gesehen: Auch die Feinde sind Menschen wie Du und ich. Sie haben genauso Hunger und Angst vor Krieg. Und plötzlich ging man friedfertig aufeinander zu, die Suppe wurde zum Band des Friedens. 

In der Schweiz gilt dies als Sinnbild für die Kompromisskultur. Aber eigentlich zu Unrecht. Ob es hier einen Kompromiss gab oder nicht ist völlig irrelevant, denn hier kam man trotz unterschiedlicher Ansichten zusammen. In Kappel saßen sogar die Zürcher Soldaten auf der einen, die Innerschweizer auf der anderen Seite des Suppentopfes. Aber eben zusammen! „Einander in Liebe ertragen“ heißt, mit Menschen liebevoll umgehen, auch wenn sie anders denken, fühlen und handeln als man selbst. 

Das ist vielleicht das Wichtigste: Heutzutage scheint einigen Zeitgenossen vor allem Abgrenzung wichtig zu sein. Manche würden am liebsten nur mit denen reden, die die gleiche Meinung haben und begegnen immer seltener Menschen mit anderen Auffassungen. Da können uns Bibelwort und Milchsuppe Mut machen. Vielleicht wird unsere Welt ein bisschen freundlicher, friedfertiger und auch inklusiver, wenn wir öfter mal gemeinsam eine Suppe auslöffeln.

Zuerst erschienen in der Neuen Westfälischen, 29. März 2025

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